Neben einigen Spams landen in meinem Posteingang auch immer mal wieder interessante Mails, die mich neugierig machen und ein berichtenswertes Thema beinhalten. Das war zum Beispiel bei der Ausbildungsumlage und bei der Messe „Gesundheit als Beruf“ der Fall. Und jetzt habe ich mich mal wieder mit einer sehr nett geschriebenen Mail befasst. Maja Schäfer, hauptberuflich Referentin Jugendkommunikation beim Diakonischen Werk hat mich angeschrieben und auf das Projekt „Soziale Berufe kann nicht jeder“ aufmerksam gemacht. Vor allem der Titel des Projekts hat mich stutzen lassen, denn es ist ja noch gar nicht so lange her, da hat z.B. unsere Arbeitsministerin von der Leyen vorgeschlagen, dass die (ehemaligen) Schlecker-Mitarbeiter/innen doch zu Altenpflegern/innen umgeschult werden sollten. Dieser Vorschlag ist ja direkt von vielen Seiten abgelehnt worden – wie ich finde durchaus zu Recht. Denn einen sozialen Beruf ausüben kann eben nicht jeder – und genau deshalb habe ich mich bei Maja gemeldet und um ein (schriftliches) Kurzinterview zu diesem Projekt gebeten. Und netterweise hat sie sofort zugesagt.
Hallo Maja, zuerst wollen wir gerne etwas über dich erfahren. Wer bist du und wie kamst du zum Diakonischen Werk in den Bereich Jugendkommunikation?
Hi, erst mal tausend Dank für dein Interesse, Marcel! Also, ich bin Sachbuchautorin und Journalistin (Studium und Volontariat) und habe mich auf das Thema Berufseinstieg und die Lebensphase des Erwachsenwerdens, Stichwort Quarterlife Crisis, spezialisiert. Beim Diakonie Bundesverband hatte ich mich eigentlich in der diakonie.de-Onlineredaktion beworben, doch aufgrund meiner Qualifikationen wurde ich gefragt, ob ich nicht Lust habe, die Projektleitung des geplanten Projekts „SOZIALE BERUFE kann nicht jeder“ zu übernehmen. Na klar hatte ich, das ist ein toller Job! Ich habe noch eine liebe Kollegin, Claudine da Rocha, die für die Videoproduktion zuständig ist, denn wir arbeiten viel mit Bewegtbild. Und das ist auch schon das ganze Team!
Kommen wir zu Grund unseres Interviews, nämlich eurem Projekt „Soziale Berufe kann nicht jeder“. Was kann ich mir darunter vorstellen?
Wir sind eine Web 2.0-Kampagne und engagieren uns für Berufsorientierung, die Spaß macht, und mehr Wertschätzung für die sozialen und pflegerischen Berufe. Unsere Zielgruppe sind Jugendliche in der Berufsorientierungsphase, aber auch junge Leute, die schon eine Sozial- oder Pflegeausbildung oder ein Studium in diesem Bereich machen.
Unsere Ziele sind: Vorurteile abbauen, Wissenslücken füllen, Infos und Angebote für junge Leute bündeln, fit für die Bewerbung und Karriere in unserer Branche machen, Austausch auf Augenhöhe ermöglichen, eine Community aufbauen, jungen Leuten aus unserer Branche eine Plattform geben, um ihre Anliegen öffentlich zu machen. Wir betreiben ein ganzes „Universum“ aus Onlinekanälen (siehe unten) und machen darüber hinaus Berufsorientierungsunterricht in Schulen, Messeauftritte, Social Media-Workshops für Wohlfahrtsverbände uvm.
Warum und wann ist das Projekt eigentlich entstanden? Sicherlich schon lange, bevor die Schlecker-Mitarbeiter zu Pflegekräften umgeschult werden sollten, oder? Auf welche Kommunikationskanäle setzt ihr?
Das Projekt gibt es seit Anfang 2011, es wird noch bis Ende 2013 gefördert (siehe Info unten) und danach finden wir hoffentlich eine Möglichkeit der Weiterfinanzierung. Der Grund ist ganz klar der Nachwuchs- und Fachkräftemangel in den sozialen Berufen, der auch die Diakonie trifft! Das Statistische Bundesamt rechnet ja z.B. mit 152 000 fehlenden Pflegekräften bis 2025, die Studie Rauschenbach/Schilling mit 78 500 fehlenden Erziehern bis 2019, und auch die Diakonie Landesverbände berichten jetzt schon von „Löchern“ im mittleren vierstelligen Bereich. Da musste einfach was getan werden, und zum Glück hat der Diakonie Bundesverband erkannt, dass altmodische Berufeflyer, mit denen bisher geworben wurde, da nicht mehr helfen. Stattdessen haben wir jetzt ein Berufeportal, ein Blog und diverse Social Media Kanäle mit über 65 Videos, 25 Berufetests, Street Art Tool, Ausbildungsstätten-Navigator, Stellenbörse, uvm.:
Ihr sprecht ja ganz gezielt junge Leute an. Auch hier im Blog berichte ich ja immer wieder über den Nachwuchsmangel in den Pflegeberufen und eine Standardfrage in meinen Interviews mit Personen, die in der Pflege arbeiten, lautet: „Wie würden Sie Schüler/innen überzeugen, ein Studium oder eine Ausbildung in diesem Bereich aufzunehmen?“ Und jetzt bin ich dazu auf deine Aussage gespannt.
Wir versuchen gar nicht selbst, die jungen Leute zu überzeugen, und schon gar nicht mit irgendwelchen geschönten Werbesätzen, sondern wir lassen unsere Auszubildenden und Studierenden sprechen! Sie sind es, die in unseren Filmen, Blogbeiträgen usw. aus erster Hand von ihrem Alltag berichten. Letztendlich bringt es uns nichts, wenn junge Leute mit den falschen Vorstellungen in den sozialen Berufen landen, darum setzen wir auf authentische Information. Also sage ich: Lieber junger Mensch, die sozialen Berufe sind tough. Du gibst körperlich viel, bekommst viele schwere Schicksale mit, arbeitest unter Zeitdruck und musst dir vielleicht noch blöde Vorurteile anhören. ABER du kriegst auch was zurück: die Dankbarkeit deiner Patienten und Klienten, einen Beruf, der Sinn in dein Leben bringt, den Respekt der Gesellschaft, die immer mehr versteht, wie wichtig Altenpfleger, Erzieher & Co. sind, und mehr Selbstbewusstsein, wenn du merkst, dass du viel mehr kannst als du denkst: z.B. mit Menschen mit Behinderung umgehen, andere glücklich machen oder dich vom Hauptschulabschluss über Ausbildung und Fachhochschulstudium bis in die Einrichtungsleitung oder Forschung hocharbeiten. SOZIALE BERUFE kann nicht jeder. Was ist mit dir? Nimmst du die Herausforderung an?
Liebe Maja, vielen Dank für deine Antworten. Ich wünsche euch viel Erfolg und werde die Aktion sicherlich weiter beobachten.
Weitere Info der Vollständigkeit halber:
Das Projekt „SOZIALE BERUFE kann nicht jeder“ wird im Rahmen des Programms „rückenwind – Für die Beschäftigten in der Sozialwirtschaft“ durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales und den Europäischen Sozialfonds gefördert. Unterstützer sind die diakonischen Fachverbände Bundesverband evangelische Behindertenhilfe e.V., Deutscher Evangelischer Krankenhausverband e.V. sowie Deutscher Evangelischer Verband für Altenarbeit und Pflege e.V.
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[…] – immer nur für junge Leute? Nach meinem Interview mit Maja vor ein paar Wochen kamen sowohl positive Kommentare auf, dass dieses Projekt sehr sinnvoll ist, […]
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